von Theresa Hertrich und Jan Krawczyk
Vom 09.11. - 11.11.2022 waren wir auf der Tagung „Postcolonial Citizens? Dekolonialität in der Politischen Bildung“ um dort mit verschiedenen Akteur:innen „des Feldes“ über postkoloniale, dekoloniale und antirassistische Zugänge ins Gespräch zu kommen. Die Tagung wurde vom Institut für Didaktik der politischen Bildung der Universität Wien, dem Demokratiezentrum Wien und dem Institut für Didaktik der Demokratie der Universität Hannover ausgerichtet.
In unserem Beitrag in Form einer Posterpräsentation (s.u.) haben wir zusammen mit unserer Kollegin Stefanie Fridrik aus Wien unsere Workshoparbeit vor dem Hintergrund des Tagungsthemas reflektiert und versucht dekoloniale Momente herauszustellen. Dabei gilt wie in allen Bildungsprozessen auch hier immer wieder Spannungsverhältnisse auszuhalten oder um mit den Worten von Paul Mecheril zu enden: „Ich plädiere für Knirschigkeit!“
In unserem Beitrag verknüpfen wir den Themenkomplex um Graffiti/StreetArt mit Fragestellungen sowohl politischer als auch kultureller Bildung und erkunden, welche diskursiven Schnittstellen sich dadurch für (radikal)demokratische, postkoloniale Ansätze der Vermittlungs- und Bildungsarbeit (hooks; Mörsch; Sternfeld) eröffnen. Dabei schlagen wir vor, Graffiti/StreetArt als konfliktuelle kulturelle Praktiken bzw. interventionistische Eingriffe in den urbanen öffentlichen Raum zu verstehen, die zumindest zeitweilig teils autorisierte, teils nicht-autorisierte materiell-affektive Spuren hinterlassen. Indem sie politische Diskurse evozieren und – nicht zuletzt koloniale – Erinnerungspolitiken provozieren, intervenieren sie zugleich immateriell und symbolisch in öffentliche Räume und können so zu deren A(nta)gonisierung (Landau; Marchart; Mouffe) beitragen. Durch diesen Zugang im und zum urbanen öffentlichen Raum kann das gegenwärtige Hamburg auch als “Tor zur kolonialen Welt” (Zimmerer; Todzi 2021) relevant werden. Graffiti/ StreetArt am und um das Bismarck-Denkmal kann dann als Impuls für die Entwicklung erinnerungskultureller Fragestellungen fungieren: Welche Formen der Intervention bedarf es, um Bedeutungs(um)brüche historischer/kultureller Narrative anzustoßen? Welche Formen sind dabei (nicht-) anerkannt und wer hat die Deutungshoheit darüber, Interventionen zu autorisieren?
Dem Beitrag liegt eine sowohl institutionen- als auch disziplinenübergreifende Kollaboration zugrunde, die theoriebildende, analytische Zugänge mit praktischen Erfahrungen der Konzeption und Umsetzung von Workshops zu Graffiti/StreetArt verbindet. Wir wollen nicht nur unsere grundlegenden Ideen dieser kollaborativen Praxis skizzieren sowie erste Erkenntnisse aus den bereits durchgeführten Workshops in Hamburg präsentieren, sondern auch konkrete Workshoppraxis in unseren Beitrag einfließen lassen. Unsere Workshops sind als ein gezielt partizipatives Angebot an Jugendliche angelegt, bei dem diese vor allem vor dem Hintergrund von macht- und diskriminierungskritischen Perspektiven die Möglichkeit bekommen, selbst Themenschwerpunkte zu setzen und so eigene Positionierungen zu Graffiti/StreetArt (wieder) zu entdecken, um sie somit historisch-politisch einordnen zu können. Methodisch beziehen wir uns vor allem auf Mapping-Strategien als didaktisches Tool, wobei wir an hegemoniekritische, dekoloniale Zugänge im Sinne von Situations-Maps (Clarke; Haraway) bzw. “counter-cartography” (Mesquita 2018) anschließen und Mappings nicht geografisch-territorial sondern diskursiv-aktivistisch denken.